Wachtturm-Lügen-Aufklärung Nr. 26
Eigentlich wollte ich gar nicht losfahren. Minus 1,2 Grad, Sonnenschein und jede Menge Dinge zu erledigen. Würden bei der Kälte überhaupt Zeugen Jehovas Dienst am Büchertisch verrichten? Nach langem Zögern fuhr ich nach Sinsheim. Von Christen hatte ich gehört, dass dort am Rathaus die Zeugen Jehovas auch gerne mit ihrer Literatur stehen. In Sinsheim war jedoch nichts von Zeugen Jehovas zu sehen. Daraufhin fuhr ich nach Speyer und nahm mir vor, nur kurz nachzuschauen, was dort in der Fußgängerzone abgeht.
Schon fast froh, dass dort niemand von ihnen zugegen war, machte ich nach rechts und links jeweils schnell ein Foto, ging einige Meter weiter und erschrak fast, als bei 0 Grad zwei Zeugen Jehovas gemütlich hinter ihrer Literatur-Ansammlung saßen. Oh nein! Das allgemeine Desinteresse hatte mich wohl schon negativ beeinflusst, so dass ich gar keine Lust hatte, mich dort wieder hinzustellen. Aber ich holte meine Schlagworte aus dem Rucksack und ging in Position.
Die Ignoranz war wieder einmal niederschmetternd. Die Zeugen Jehovas schauten kurz auf und reagierten danach überhaupt nicht mehr. Ich stellte mich mit meinen Schildern mal hier hin, mal dort hin. Zum Glück reagierten die Passanten in Speyer besser als letzte Woche die Passanten in Bruchsal. Aber unabhängig davon hatte ich ein gutes Gefühl, denn die Information der Menschen über die wirklichen Ziele der Wachtturm-Gesellschaft ist wichtig.
Ein Ehemaliger sprach mich an und sagte: "Die wollen noch viel mehr vernichten." Ich hielt gerade das Schild hoch: "Jehovas Zeugen erhoffen die Vernichtung der Christenheit!" Ich fragte zurück: "Sie oder die?" Denn ich hatte ihn nicht genau verstanden. Im folgenden erklärte er, dass er die Zeugen Jehovas meinte. Er war ein Hineingeborener und hatte alles das erlebt, was der Prozess des Ausschlusses mit sich bringt. Ich empfahl ihm, sich mit Christen zusammen zu tun und mit ihnen ein Berfreiungsgebet zu sprechen, denn ich halte die Manipulation durch die Wachtturmlehre für nicht ausschließlich menschlich.
Ein Passant kritisierte das Wort "Vernichtung". Ob mir klar wäre, was dieses Wort - besonders seit Hitler - aussagen würde. Ich konnte nur darauf hinweisen, dass genau diese Aussage fester Inhalt der Wachtturm-Programmatik sei. Er: "Da kann man nichts machen."
Mehrere Leute sprachen mich direkt an und bestärkten mich darin, die von Jehovas Zeugen zurückgehaltenen Informationen offen zu zeigen. Was mich jedoch nicht positiv berührte, war der Gedanke, dass alles so stinknormal abläuft. Jeder geht seines Weges, was ja völlig verständich ist, und ich kam mir irgendwie überflüssig vor. Doch in der zweiten Hälfte des Einsatzes sollte sich diese negative Stimmung ganz und gar auflösen.
Um 13:00 Uhr kam die Ablösung. Die Zeugen Jehovas hatten ihren Part schon bestens vorbereitet und sie ließen sich von zwei weiteren Zeugen Jehovas ablösen. Die Neuen gaben sich sofort komplett unberührbar und richteten sich auf einen Predigtdienst ein, bei dem man halt nicht überall hinschauen durfte. Sie vermieden den Blick auf mich. Doch ab und zu schauten sie doch auf meine Schilder. Ihr Verhalten zeigte jedoch sehr deutlich, dass ihnen das an ihrem Gemüt einfach vobei ging.
Inzwischen hatte ich mich schräg hinter ihren Bücherstand gestellt, so dass alle Passanten mit dem Blick auf den Büchertisch auch mich im Visier hatten. Diese Position war die beste. Genau das hatte ich schon in Bruchsal erlebt. Das Lesen in den Gesichtern der Passanten ist in diesen Zeiten für sich schon so spannend und aufschlussreich wie ein guter Krimi.
Ungefähr um kurz nach 14:00 Uhr machte ich mich innerlich bereit, mit allem Frust und mit aller Trauer wieder abzudackeln. Die Zeugen Jehovas erschienen mir völlig unerreichbar und eiskalt. Und nach einiger Zeit beginnen die eigenen Beine mit einem zu sprechen. Irgendwann werden sie immer eindeutiger und sagen: Setz dich jetzt oder geh nach Hause! Ich begann, mich ihnen zu beugen, packte mein Spruch-Schild ein und ging Richtung Motorrad. Da fiel mir der blutlose Jesus auf der Rückseite des Flyers ins Auge, der für die Christus-Todesfeier der Zeugen Jehovas in diesem Jahr verteilt wurde und wird. Das brachte mich dazu, nun doch die Zeugen Jehovas direkt anzusprechen. Die beiden, die bisher so abstoßend und ignorant wirkten, waren plötzlich ganz nah an meinem Herzen und alles, was ich an Abstand innerlich aufgestaut hatte, war im Nu weg. Erstaunlicherweise reagierten beide sehr offen, hielten sich aber zurück, mir direkt zu widersprechen. Es bleibt unklar, ob sie die Direktive hatten, mir gegenüber das Maul zu halten, oder ob sie persönlich von meinen Argumenten beeindruckt waren. Doch ich erkannte, dass ein Fenster offen stand, durch das ich rufen durfte.
Die Belehrung meinerseits beschränkte sich auf das Allernotwendigste, aber ich hoffe, dass die beiden Zeugen Jehovas genug mitbekommen haben, um langfristig mehr Klarheit in ihrem Herzen zuzulassen. Unterm Strich konnte ich mit der Gewissheit nach Hause fahren, das Richtige getan zu haben. Die menschliche Nähe zwischen ihnen und mir war nicht gewöhnlich. Mir ist in diesem Leben nicht viel klar, aber in diesen Minuten habe ich eine Offenheit gespürt, auf die ich bei Jehovas Zeugen schon seit Anbeginn verzichten musste. Ich bete darum, dass sie über die Fakten nachdenken. Heute, morgen und in all den Jahren, die noch kommen.